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Persönlich
Weiter unten finden Sie Blog-Beiträge des Triowerk-Gründers Christian Olbrich. Die Themen gehen wesentlich über das Spektrum von Triowerk hinaus, um die verschiedenen Perspektiven glaubhaft einnehmen zu können. Wenn Sie mögen, schreiben Sie ihm, was Ihre Perspektive zum jeweiligen Thema ausmacht: co@triowerk.de

Plädoyer für Wände im Büro

Wände können trennen, abgrenzen, abschotten, ausgrenzen – sie können aber auch als multifunktionale Displays dienen, und die sind für innovative Teams im Büro unerlässlich

Unendliche Weiten…
so liegen sie manchmal vor uns, moderne Büroflächen. Von Fassade zu Fassade erstreckt sich der lichtdurchflutete „Open Space“. In einer Ecke des Brandabschnitts ist der repräsentative Besprechungsraum angeordnet, gegenüber das Abteilungsleiterbüro. Hier und da stehen schüchtern einige Pflanzen, deren Pflege dem äußeren Anschein nach den Mitarbeitenden obliegt. Mit halbleeren Stauraumelementen werden Raumstrukturen immitiert, damit die Arbeitsplätze nicht völlig ungeschützt im Raum stehen. So oder ähnlich wird  Bürogestaltung häufig interpretiert, wenn Trends kopiert werden, ohne dass der Sinnzusammenhang klar ist. Bestimmt nicht völlig untauglich, jedoch weit davon entfernt, motivierend, anregend, unterstützend oder attraktiv zu sein.

Wände sind hier unerwünscht
Fast verschwunden sind sie, Wände im Büro. Als Hindernis für flexible Bürokonzepte, effiziente Flächennutzung und Kostenfaktor sind sie gebrandmarkt, als Verhinderer von Kommunikation, Zusammenarbeit und Innovation, als Statussymbol für konservative Führungskräfte. Auch Bedenken hinsichtlich der Raumakustik waren nicht in der Lage, Wände dauerhaft zurück in Arbeitsplatzbereiche zu bringen. Geschlossene Räume scheinen für Sondernutzungen erlaubt zu sein, als Rückzugsraum, Denkerzelle oder Think Tank, Mini-Meetingroom, Telefonbox, Huddle-Room oder einfach als Besprechungsraum. Aber Arbeitsplatzbereiche hinter Wänden? - Nein…

Wände geben Sicherheit
In Zeiten von Virtualität und flachen Hierarchien, schnellen Entscheidungen, künstlicher Intelligenz und VUCA-Umfeldern erscheinen geschlossene Arbeitsräume wie ein Relikt vergangener Zeiten. Gab es denn nicht irgendwann einmal einen echten Nutzen für Wände? Klar doch! Tragen sie nicht die Decke und alles, was sich im Gebäude oberhalb davon befindet? Bei modernen Materialien und üblicher Bauweise reichen einem Gebäude dafür allerdings die Fassade und ein paar Stützen. Benötigt werden Wände hingegen zwingend zum vorbeugenden Brandschutz. Für Büronutzungen haben sich Brandabschnitte bis 400 Quadratmetern Größe etabliert, die durch Brandwände voneinander getrennt sind. Neben dem Schutz vor Brandausbreitung bieten Wände natürlich auch Schutz vor unbefugtem Zutritt, vor Umgebungseinflüssen und Immissionen wie störenden Geräuschen und Gerüchen und natürlich vor störenden Blicken.

Wir und die anderen
Und damit sind wir bei der symbolhafte Wirkung von Wänden. Die Trennung der einen von der anderen Seite oder des Innen vom Außen, hat mehr Bedeutung für die Nutzer, als man sich in einer modernen Organisation wünscht. Wände trennen Abteilungen und Teams von anderen Abteilungen und Teams, Vorgesetzte von Mitarbeitenden und Kollegen voneinander. Was im Innen verbindend wirkt und Identität gibt, hat nach außen trennende oder gar ausgrenzende Wirkung und erschwert Zusammenarbeit. Werden persönlicher Kontakt, gemeinsamen Erfahrungen, Kenntnisse über berufliche und private Hintergründe blockiert, füllt sich dieses Vakuum leicht mit Stereotypen und Gerüchten. Teamgeist hingegen wächst durch Kontakte und positives Erleben im Alltag. Deshalb müssen Mitarbeitende kontinuierlich miteinander in Verbindung stehen. Ein Team-Event pro Jahr kann das nicht ersetzen. Aus diesem Grund sind moderne Arbeits- und Bürokonzepte zunehmend transparent und darauf aus, unvermeidliche Trennungen zwischen Brandabschnitten, Bauteilen und Geschossen so durchlässig wie möglich zu gestalten.

Agilität - virtuelle und physische Teams
Innovative Unternehmen haben ihre wenig fundiert umgesetzten Büro-Konstrukte lange hinter sich gelassen. Mit verhältnismäßig wenig Geld lassen sich Projekte aufsetzen, die mit der Unterstützung eines erfahrenen Beraters und einer fundierten Anforderungsanalyse ideal unterstützende Arbeits- und Bürokonzepte auf die Beine stellen können. In den 2000er Jahren hatten viele Unternehmen virtuelle Teams aufgebaut, die von verschiedenen Orten aus zusammenarbeiten. Agile Teams der 2010er Jahre arbeiten oft wieder stationärer und mit viel Präsenz. Oft kommt beides zusammen. Virtuelle und analoge Tools lassen sich je nach Anforderung kombinieren. Nur muss klar sein, was mit welchem Zweck zum Einsatz kommt. Wird nur imitiert, bleibt die Alltagstauglichkeit auf der Strecke. Die Anforderungsanalyse ist also der kritische Erfolgsfaktor auf dem Weg zu einem ideal unterstützenden Arbeits- und Bürokonzept.

Daily Meetings - sag und zeig mir, was ich wissen muss
Agile Teams, die bereits Erfahrung mit ihrer selbstorganisierten Struktur gesammelt haben, werden stets in der Lage sein, ihre Anforderungen zu benennen. Ein wesentlicher Faktor für agiles Arbeiten ist die Transparenz des aktuellen Projektstatus. Intensive Team-Kommunikation ist hierfür unerlässlich. Ad-hoc darf sein, ein bisschen Struktur schadet aber auch nicht. Regelmäßig sieht man kleine Gruppen an Wänden mit bunten Klebezetteln oder großen Wandbildschirmen im eigenen Bürobereich stehen. Ein regelmäßiger kurzer Austausch aller Teammitglieder („Daily Stand-up“) stellt sicher, dass jedes Teammitglied den aktuellen Status der gemeinsamen Arbeitssequenz (Iteration/“Sprint“) kennt und flexibel auf die Informationen der Kollegen reagieren kann.

Die Wand als Display
Die Kenntnis des aktuellen Stands der Bearbeitung des gesamten Produkts und besonders des eigenen Teilbereichs ist für agile Teams wichtig. Agilität profitiert von einer reflektierten Reaktion auf den jeweils aktuellen Bearbeitungsstatus. Die wesentlichen Faktoren sollen deshalb stets transparent sein, beispielsweise welche Arbeitspakete schon fertig sind, welche gerade in Bearbeitung und welche noch anstehen. Hierfür haben sich Wandtafeln etabliert, die für alle Teammitglieder zugänglich sind. Auf ihnen wird mit Klebezetteln der Durchlauf der Arbeitspakete durch die Bearbeitungsphasen (bspw. offen/in Bearbeitung/Test/Auslieferung/fertig) visualisiert. Das geht auch digital, was sinnvoll ist, wenn das Team virtuell zusammenarbeitet oder das Management jederzeit den Überblick behalten möchte. Physische Scrum- oder Kanban-Boards an den Wänden erfreuen sich jedoch weiterhin großer Beliebtheit halten. Ebenso bunte Klebezettel (Stickies).

Open Source-Information
Der Grund für den Erfolg von Wandtafeln ist einfach der, dass ein analoges Board immer da ist, nicht nur dann, wenn man es einschaltet oder auf dem Laptop öffnet. Im Projekt mit einem Forschungsinstitut für Softwaresysteme sprachen die Wissenschaftler von „Technical Graffiti“, die sie in Form von kurzen Sätzen, Formeln und kleinen Schaubildern an „Floor-to-Ceiling-Whiteboards“ an zentralen Stellen ihres Bürobereichs hinterließen. Open Source sozusagen, zur gegenseitigen Inspiration, zum Ergänzen von Kommentaren, zum Weiterdenken und Detaillieren. So können Wände zur Innovationsplattform für ganze Abteilungen werden. Berührungssensitive Displays oder Projektoren mit interaktiver Software sind ähnlich intuitiv nutzbar. Sie sind jedoch leider teuer, meist immobil, und wenn das Team Feierabend macht, sind die Informationen unsichtbar. Messe-Trend auf der Orgatec 2018 waren beschreibbare Tafeln in transportabler Ausführung. Mit mobilen Haltern wird damit jede Umgebung zur Besprechungsecke. Besonders interaktive Meeting-Formate mit wechselnden Orten und Teilnehmern, wie beispielsweise „Open Space“, werden hierdurch perfekt ergänzt. Auch in Büroarbeitsumgebungen lassen sich die spontan und intuitiv nutzbaren Tafeln für den kommunikativen Austausch einsetzen.

Wände im Multi Space clever nutzen
Was das Arbeits- und Bürokonzept angeht, unterscheiden sich agile Teams gar nicht so sehr von hierarchisch organisierten Teams. Sichtkontakt und Nähe ermöglichen spontane Abstimmungen, bringen meist aber auch Unruhe und Ablenkung mit sich. Die in offenen Bürostrukturen ohnehin empfehlenswerten Rückzugsräume für Kommunikation und konzentrierte Einzelarbeit lassen sich einfach als Arbeitswände nutzbar machen. Wo ein Innen ist, ist auch ein Außen. Sind die Wandoberflächen glatt, halten Stickies auch ohne Whiteboard. So verwandelt sich eine konventionelle Büroarbeitsumgebung in eine interaktive Projektlandschaft. Wird diese entsprechend zoniert, lassen sich neben Rückzugsräumen auch ruhige offene Bereiche ausweisen. Die non-territoriale Arbeitsweise ("Desksharing"; jeder nutzt einen Arbeitsplatz, der ihm/ihr für seine/ihre aktuelle Arbeit sinnvoll erscheint) setzt mobile Endgeräte voraus, Laptop und Mobiltelefon, die heute aber ohnehin fast flächendeckend im Einsatz sind. Inzwischen gibt es ein großes Angebot an Klein- und Kleinsträumen, die wie Mobiliar frei im Raum platziert werden können. Sie benötigen nur eine Steckdose, denn Strom wird für Licht, Lüftung und ggf. Endgeräte benötigt. Viele dieser Raum-in-Raum-Systeme, auch Meeting Pods genannt, lassen sich modular in Größe und Ausstattung individuell zusammenstellen und sind akustisch gut abgeschottet. Drinnen kann so beispielsweise ein kleines Meeting zu dritt stattfinden, während draußen an der Seitenwand Kollegen ein Stand-up-Meeting abhalten.

Wand oder nicht Wand?
Klare Raumstrukturen sind gut, solange sie erkennbar Anforderungen und Konzeptideen folgen. Sie lassen sich auch mit sparsamem Einsatz von Wänden realisieren. Die folgenden zehn Tipps für die Konzeption einer innovationsförderlichen Büroarbeitsumgebung können Ihnen hierfür Inspiration sein:

  1. Der Kontakt der Team-Mitglieder untereinander sollte für jede Organisationsform, Branche und Tätigkeit sehr weit oben auf der Anforderungsliste stehen. Geschlossene Büroarbeitsräume sind hierbei meist hinderlich.
  2. Werden die Anforderungen an konzentrierte Einzelarbeit und Vertraulichkeit höher eingeschätzt, ist nach meiner Erfahrung durchaus ein Blick auf die Organisationskultur sinnvoll. Häufig sind dann ausgeprägte Hierarchien, Silo-Denken und mangelnde Fehlerkultur nicht weit.
  3. Der Bedarf nach Ruhe und Abschottung ist legitim, sollte jedoch für die meisten Arbeitstypen temporärer Natur sein.
  4. Wirkungsvolle Abschottung bieten Rückzugsräume, die für die Zeit des Rückzugsbedarfs genutzt werden können.
  5. Non-territorial genutzte Arbeits- und Bürokonzepte („Desksharing“) können baulich separierte, ruhige Arbeitszonen ausweisen, ähnlich den ICE-Zügen.
  6. Rückzugsbereiche sollten im unmittelbaren Umfeld der Arbeitsplätze entstehen, sodass der Aufwand, sie aufzusuchen, möglichst gering ist.
  7. Verkehrsflächen sind ungenutzte Flächen. Werden Rückzugsräume so angeordnet, dass eine Seitenwand an den Durchgang grenzt, eignen sie sich von außen hervorragend zur Nutzung als Display-Wände, ohne dass hierfür zusätzlicher Flächenbedarf entsteht.
  8. Werden Arbeitsplatzbereiche zum Flur hin mit Schiebewänden begrenzt, kann das Team selbst entscheiden, ob es separiert oder in Kontakt mit Nachbarbereichen arbeiten möchte.
  9. Adaptive, flexible und mobile Büroarbeitsumgebungen ermöglichen den Nutzern die Anpassung ihrer Arbeitsbereiche an die jeweiligen Arbeitsanforderungen. Selbstorganisierte Teams lieben es...
  10. Binden Sie Mitarbeitende vertrauensvoll in den kreativen Prozess der Bürokonzeption ein. Neurowissenschaftliche Studien (beispielsweise zu Psychological Safety oder die Polyvagal-Theorie) belegen, dass ohne Sicherheitsempfinden unser Gehirn nicht in der Lage ist, seine Ressourcen für innovative Aufgaben zu nutzen.

Sind Sie anderer Meinung? Wenn Sie mögen, schreiben Sie mir ein paar Zeilen zu Ihrer Sicht auf das Thema: co@triowerk.de

 

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